Am 4.9.20 erschien #30 der WorkVision Serie der WKS. Chris Holzer im Gespräch mit Friseur Udo, Udo Bauregger. Die Sinne aufleben lassen im Unternehmen mit viel Spirit für Kunden und für Mitarbeiter. Dazu gehört: Eigene und fremde Gefühle einschätzen können – sich selber und andere zum und ins Ziel bringen können – Eigenmotivation und Selbstwirksamkeit erkennen…das ist New Work, die Zukunft der Arbeit.
Der Friseurberuf als Erlebnis
Die Auszeichnung WKS-Lehrlingsbetrieb ging 2019 an „Friseurudo“ Udo Bauregger. Der gebürtige Steirer hat den Weg in den Pongau über Berlin gefunden. 1989 eröffnete er seinen Salon in St. Johann, 2008 kam ein weiteres Geschäft in Bischofshofen dazu. Der vierfache Familienvater hat von Beginn an großen Wert auf Ausbildung gelegt. Mehr als 40 Lehrlinge durchliefen seine fachlichen und persönlichkeitsbildenden Schulungen. Acht von seinen 10 Friseuren und Stylisten sind „Eigenbau“, fünf Mitarbeiter haben „Friseurudo“ als Sprungbrett in die Selbständigkeit genutzt. Was macht Udo Bauregger andres als andere bei Mitarbeiterbindung und Motivation? Dem Work-Vision-Experten Chris Holzer hat er seine Strategien verraten.
Prägt der Faktor Kreativität im Friseurberuf auch Ihr wirtschaftliches Denken?
Ich brauche den Aha-Effekt bei Kunden, der muss sich immer wieder erneuern. Da lade ich schon einmal hochklassige Musiker ein, im Frisiersalon zu spielen. Auch einen Zauberer hatten wir schon zu Gast. Wir hatten schon Fingerfood für die Kunden oder Eiskaffee im Hochsommer. Die Kunden reagieren darauf äußerst positiv. Sie verlassen mein Geschäft und sprechen mit anderen über ihr Friseurerlebnis.
Wir fördern aber auch die Kreativität unserer Mitarbeiter. Wir laden junge Fotografen und Models zu Fotoshootings zu uns ein. Unsere Lehrlinge zeigen mit vollem Einsatz ihr erworbenes Können und ihre Kreativität. Wenn der Mitarbeiter zufrieden ist, stimmt die Leistung am Kunden. Wir lassen die Sinne der Menschen aufleben. Haare schneiden kann jeder. Das Unverwechselbare wächst im Drumherum.
Udo-Sinneswelten also?
Der Imageaufbau ist nach einem konkreten Plan abgelaufen und beschert mir nun zwei Sachen. Erstens habe ich viele Stammkunden, die das Wohlfühlen schätzen. Zweites melden sich bei mir immer Mitarbeiter, die viel Potenzial mitbringen und auch das Besondere möchten. Obwohl die Lehrlingszahlen zurückgehen, haben wir stabile Anmeldeszahlen.
Wie finden Sie genau die Mitarbeiter, die zu Ihnen passen?
Wie sprechen zukünftige Mitarbeiter über Social Media an, über Facebook und Instagram. Es ist für Unternehmen wichtig, moderne Kommunikationswege zu nutzen. Ich haben über eine Benefizveranstaltung den Wert von Social Media Kanälen erkannt, als wir rasch viel Geld zum Kauf eines Rollstuhls für einen jungen Burschen sammeln konnten. Auch die Auszeichnung als Lehrbetrieb des Jahre 2019 hat mir sehr geholfen. So etwas wird bei uns in der Region von vielen Menschen positiv registriert.
Auch wenn wir viel in Social Media unterwegs sind, ist das persönliche Kennenlernen äußerst wichtig. Die Lehrlinge müssen die Bewerbung bei mir im Geschäft persönlich abgeben. Danach kommen die Neuen zum Probearbeiten. Alle Mitarbeiter achten darauf, wer zu uns passt. Die Favoriten werden von jeder und jedem auf einen Zettel geschrieben. Jene, welche die meisten Stimmen erhalten, werden zu Gesprächen eingeladen, in denen wir unser Konzept vorstellen. Ich verlange von meinen Lehrlingen sehr viel; sie müssen zusätzlich zum normalen Ausbildungsplan auch extra trainieren. Der Erfolg von Sportlern dient uns da als Vorbild. Dafür haben sie auch am Ende der Ausbildung wirklich viel gelernt. Man muss sich von Anfang an bewusst für unser System entscheiden, erst dann starten wir die Zusammenarbeit.
Leadership wie im Fußball?
Wir mögen Teamplayer. Es ist gar nicht so einfach dieses Zusammenhalten als roten Faden durchzuziehen. Das Beispiel Fußball zeigt, dass bei den Erfolgreichen jeder für jeden läuft. Wir wollen keine Stars, wir wollen ein richtig gutes Kollektiv. Auch einen Orchestervergleich könnte man heranziehen: Wenn einer falsch spielt, ist die ganze schöne Musik kaputt.
Welche Faktoren müssen junge Leute mitbringen, um für Sie zu arbeiten?
Wichtig ist der Start. Wen nehmen wir zu uns herein? 70% des Erfolges basiert auf der menschlichen Komponente. Ich hatte einmal den Fall, dass ich ein Problem mit meinen Mitarbeitern besprochen habe, und ein Mitarbeiter hat gesagt: „Es ist Dein Geschäft, also ist es auch Dein Problem.“ Im Prinzip stimmt das schon. Wenn ich aber in vielen Fragen meine Mitarbeiter miteinbeziehe, sind die Herausforderungen nicht mehr nur meine, sondern die aller. Die Arbeit mit den Lehrlingen ist schon eine besondere Herausforderung. In der Pubertät treten die Probleme ja nicht nur zu Hause auf, das zieht sich in den Betrieb hinein. Der Kick ist: Wie schaffe ich eine bestmögliche fachliche Ausbildung bei hoher persönlicher Entwicklung.
Ich selbst habe im Job immer Bedingungen gebraucht, unter denen ich mich bestmöglich entwickeln konnte. Ich habe diese nicht vorgefunden, im Gegenteil. Daher soll sich jede und jeder bei uns frei bewegen, soll sich im übertragenen Sinn aber dem Haus zugehörig fühlen. Wer damit umgehen kann, wird bei mir erfolgreich werden und hat Spaß am Arbeiten. Meine Mitarbeiter haben eine 35 Stunden Woche und dürfen sich die Arbeitszeit frei einteilen. Wichtig ist, dass die Leute da sind, wenn Arbeit ist.
Die Mitarbeiter bei Ihnen trainieren in Extraeinheiten. Findet das ausschließliche Zustimmung?
Für die Jungen ist das schon eine Hürde. Die waren eher von der Schule her gewohnt, auf die Pause hinzufiebern, sie müssen in die Arbeit erst hineinwachsen. Meine Mitarbeiter müssen so lange trainieren, bis eine Grundqualität erreicht ist, erst dann beginnt die Arbeit mit den Kunden. Bei den Trainingsabenden kommt oft die gesamte Verwandtschaft meiner Lehrlinge zum Übungseinsatz.
Gibt es bei so viel Qualitätsanspruch auch manchmal Rivalität?
Leider kann das schon passieren. Viel Fingerspitzengefühl von mir und meinen erfahrenen Mitarbeitern ist gefragt. Wenn Probleme auftreten, setzen wir uns zusammen, sorgen für eine gute Atmosphäre mit Grundregeln in der Kommunikation und sprechen Klartext. So kommen wir gemeinsam zu einer Lösung. „Stille Post“ ist bei uns verpönt.