Ein ehemaliger Manager der Großindustrie wird zum New Work Vorreiter. Markus Stainer und sein bluebird.space in der Salzburger Trendlocation „Panzerhalle“ holt etablierte Unternehmen mit viel Einfühlungsvermögen dort ab, wo sie sich gerade am Weg in die Zukunft der Möglichkeiten befinden.

Remote Working im Satellite Office

Markus Stainer ist Gründer und Geschäftsführer der PINUS.TEAM Managementgesellschaft, einer Wirtschaftsberatung mit Fokus auf Familienunternehmen und Privatinvestoren. Für viele Jahre hat er im Management internationaler Unternehmen in verschiedenen Ländern gearbeitet, u.a. als Geschäftsführer und Vorstand der AMAG, Österreichs größtem Aluminiumkonzern, bis zur Privatisierung 1996 ein Kernbetrieb der verstaatlichten Industrie in Österreich. Heute ist Markus Stainer Initiator und Betreiber des bluebird.space in Salzburg. Auf 800 qm werden Büroflächen und technische Ausstattung in Salzburgs Trendlocation „Panzerhalle“ vermietet. Ein Mix aus Start-ups, KMUs und Büro-Außenstellen größerer Unternehmen ist entstanden. Ein Modell für New Work? Chris Holzer hat den Topmanager zum Gespräch gebeten.

Was bewegt einen ehemaligen Manager der Großindustrie, in New Work-Dimensionen zu denken?

Nach vielen Jahren in internationalen Unternehmen habe ich eine Prägung mitgenommen, aus der meine Vision zur neuen Arbeitswelt entstanden ist. Große Organisationen stoßen hinsichtlich Führbarkeit immer wieder an Grenzen: Welche Organisationsmodelle sind agil steuerbar? Bei großen Unternehmen heißt das Schlüsselwort dafür Kontrolle. Es ist gut, Regeln und Standards zu haben, andererseits Seite verringert es Geschwindigkeit, Flexibilität und Wirksamkeit. Vor allem auf der menschlichen Ebene kann es zu blockierter Kreativität kommen, dem Kernelement von Innovationskraft. Wenn Spitzenleistungen erbracht werden sollen, braucht es das passende Arbeitsmodell. Der Gegenentwurf zum bisherigen Modell muss eine Kultur des Vertrauens sein, ohne die bisher guten Qualitätsmerkmale zu verlieren. Die Mitarbeiter sollen sagen können: Das will ich wirklich, wirklich tun.

Haben Sie sich gewundert, dass der Gegenentwurf New Work so schnell Fahrt aufgenommen hat?

Meine Zeit bei der AMAG von 1994 bis 2003 war von Restrukturierung geprägt. Es ist vielfach um Prozessverbesserungen gegangen. Wir haben intensiv Kaizen eingesetzt, also Verbesserung in kleinen, aber kontinuierlichen Schritten. Die Zielsetzung in dieser „Old Economy“ war, produktiver zu werden. In den letzten 10 bis 20 Jahren sind völlig neue Vorstellungen von Arbeit – gerade durch neu heranwachsende Generationen – entstanden. Work-Life-Balance und ein attraktiver Unternehmenszweck sind Stichworte dazu.

Sie bieten für Wirtschaftsunternehmen auch Büroauslagerungen an, um New Work zu erleichtern?

Unser Angebot im bluebird.space richtet sich neben kapitalstarken Start-ups und KMUs auch an große Mittelständler und  Konzernunternehmen, die in Salzburg ein Satellite-Office suchen. Sie bekommen ein steckerfertiges, voll serviciertes Büro, das alle Erfolgsfaktoren der neuen Arbeitswelt mitliefert. Denn die richtige Umgebung erzeugt erst produktiveffizient eingebundene Technologien, eine vielfältige Arbeitsumgebung und eine geschützte Umgebung für vertrauensvolle und inspirierende Zusammenarbeit. Neben dem praktischen Nutzen für kleine Teams von größeren Unternehmen, halte ich den Faktor des Ausprobierens für essenziell. Es entsteht eine bewegliche Kultur des Arbeitens, die Menschen, Räume und Technologie umschließt. Veränderungen in größeren Unternehmen passieren nicht radikal. Bei uns kann man neue Organisationsformate auf Praxistauglichkeit testen.

Sie haben die Vertrauensfrage angesprochen. Arbeiten die Menschen etwas, wenn sie der unmittelbaren Kontrolle entzogen sind?

Der Zwang, mit der Covid-Krise vieles abseits der Firma abzuarbeiten, hat mehrere Gesichter. Eigenständiges Arbeiten der Mitarbeiter konnte technisch erstaunlich rasch umgesetzt werden. Allerdings ergeben Verlagerungen in den digitalen Raum noch keine neue Vertrauenskultur. Bestehende Probleme, die es vorher schon gab, wurden eher noch verschlimmert. Überbordende Meetings ineffiziente Abläufe, mangelnde Kooperation wurden über die räumliche Trennung noch spürbarer, das Klima noch giftiger. Was New-Work braucht, ist ein agiles, kooperatives Mindset aller; mit weniger Kontrolle und mehr Coaching.

Wovon ist die neue Arbeitskultur im bluebird.space geprägt?

Wir wollen möglichst hohe Diversitäten schaffen. Wir wollen ein Showcase für Transformation sein, wo neue Karrierepfade und Rollenbilder lebendig werden. Mit den passenden Tools gehen Teamwork und Selbststeuerung Hand in Hand. Wir haben verschiedene Arbeits- und Begegnungszonen, die flexibel nutzbar sind. Das führt zu vielen Kontakten und spontaner Kommunikation. Es entstehen Serendipity-Effekte: Kontakte und neue Gelegenheiten, die man in der Früh am Weg zur Arbeit nicht vermutet hätte. Das alles ist kein Selbstläufer, da braucht es professionelles Hinführen. In Anlehnung an Oldenburgs „Great Third Place“ ist unsere Vision, dass wir der Place 2.5 werden: Ein Platz mit Atmosphäre, den man gerne zur Zusammenarbeit aufsucht.

Welche Dynamiken beobachteten Sie aktuell in der bluebird.space-Praxis?

Durch das Zusammenkommen unterschiedlicher Firmenkulturen entsteht mitunter eine positive Reibungsfläche. Wenn der Digitalfreak in unserem Kommunikationsplatz auf jemand mit digitalen Berührungsängsten trifft, kann es sein, dass unkonventionell Kooperationen entstehen, generations- und firmenübergreifend. Ein Wir-Gefühl entsteht, die Leute kommen ins Tun. Ganz nach unserem Motto: „forward together“.

Gibt es im bluebird.space  auch Formate im Bereich Lehre und Forschung?

Wir haben eine ganze Reihe von Ideen und Projekten in Umsetzung. Konkret ist bereits eine Partnerschaft mit der Fachhochschule Salzburg, mit dem Fachbereich Management und Leadership. Alle Merkmale unserer fluiden Organisation und die verschiedenen Showcases können unter die Lupe genommen werden. Hubs sollen entstehen, die Aus- und Weiterbildung als New Learning vorantreiben.

Das Interview wurde am 30.7.21 in der „Salzburger Wirtschaft“ Nr. 14 veröffentlicht.